Feedback senden /
Fragen stellen

In diesem Beitrag widmen wir uns einem komplexen Thema, das in unserem seelsorgerlichen Dienst eine leider zunehmende Rolle spielt. Allgemein entwickelt sich in unserer Gemeindelandschaft eine Tendenz hin zum negativen übernatürlich Erlebbaren. Nicht wenige Christen empfinden ihr Leben als fade, unterliegen jedoch dem Trugschluss und der Tendenz, Erfüllung in mystischen Erfahrungen zu finden – was nicht erst bei der Deutung von Sternbildern, dem Legen von Tarot-Karten oder dem Praktizieren tiefenentspannender Techniken beginnt.

Hinzunahme erfahrbarer Einflüsse

Es ist eine Versuchung, aus der eigenen Festigkeit und Nüchternheit zu fallen, wenn wir nicht wachsam sind. Viele Praktiken scheinen auch uns Christen attraktiv, da sie uns in eine Vorrangstellung versetzen:

  • Proklamation soll Dämonen aus einem Haus oder einer Person vertreiben, die diesen machtlos ausgeliefert sind; dabei sind es Christen, die bereits überwunden haben.
  • Das Segnen eines Ehepaares soll Nachwuchs bewirken, ebenso ein Segen das Wachstum einer Gemeinde; doch wie soll ich das tun, wenn doch “ohne allen Widerspruch das Geringere von dem Besseren gesegnet” wird (Hebräer 7:7) und mein Selbstverständnis mich als Diener deklariert?
  • Gemeinsames Schofar-Blasen soll helfen, das Reich Gottes zu stärken und auszuweiten, die Wiederaufnahme der Feste Jehovas wird als wirkungsvoller, evangelistischer Gottesdienst angesehen.

Diese wenigen Erfahrungen unserer Familie beunruhigen mich. Nachvollziehbar bewirken additive “Nahrungsergänzungsmittel” meist einen erhöhten Level der Gesundheit und Lebensqualität. Die Hinzunahme bzw. das Einbeziehen “außergeistlicher” Praktiken in das geistliche Verständnis birgt aber eine große Gefahr. Es ist für mich unverständlich, wie das lebendige und bleibende Wort Gottes (1.Petrus 1:23) und ein biblisch fundiertes Christenleben nicht zu einem geistlich erfüllten Leben in Überfluss führen kann. Manchen Christen reicht diese “Speise” aber nicht mehr, analog zu den weltlichen Fleischtöpfen Ägyptens (2.Mose 16:3) im Kontext des “elenden” himmlischen Mannas (4.Mose 21:5).

Wir können gut die folgende, bekannte Liedstrophe auf diese Szene anwenden:

“Sie suchen, was sie nicht finden, in Liebe und Ehre und Glück,
und sie kommen belastet mit Sünden und unbefriedigt zurück.”
(Singt froh dem Herrn!; Lied 67; CSV-Verlag)

Aus unserer Überzeugung ist das Suchen nach diesen erfahrbaren, mystischen Einflüssen ein Weg aus dem Genuss der Gemeinschaft mit Gott. Es ist in vielen Fällen ein Abwenden von Gottes Füllhorn, teils aus fehlender Bereitschaft, an sich zu arbeiten, teils aus Frust fehlender Erfahrung des Wirkens Gottes. Beiden Symptomen liegt meist mit derselben Ursache zugrunde: ein Leben in nur relativer Nähe und Hingabe zu Gott.

Falsches Gottesbild

Viele der Geschwister in unserer seelsorgerlichen Betreuung leiden unter einem in christlichen Gemeinschaften weit verbreiteten, morbiden Syndrom, vor dem uns Gottes Wort ausdrücklich warnt:

“1 Zu derselben Zeit waren aber einige zugegen, die ihm von den Galiläern berichteten, deren Blut Pilatus mit ihren Schlachtopfern vermischt hatte. 2 Und er antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer mehr als alle Galiläer Sünder waren, weil sie Derartiges erlitten haben? 3 Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle ebenso umkommen. 4 Oder jene achtzehn, auf die der Turm in Siloam fiel und sie tötete: Meint ihr, dass sie mehr als alle Menschen, die in Jerusalem wohnen, schuldig waren? 5 Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle ebenso umkommen.” (Lukas 13:1-5)

” 1 Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus. Und als er vorüberging, sah er einen Menschen, blind von Geburt. 2 Und seine Jünger fragten ihn und sagten: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? 3 Jesus antwortete: Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.” (Johannes 9:1-3)

Lies bitte nicht leichtfertig über diese Schilderungen hinweg. Kennen wir nicht Gespräche mit Geschwistern, in denen die Not von Bruder Herbert und Schwester Martha samt ihren Kindern sorgfältig seziert wurde und bei unserem Urteil unsere Grenzen deutlich überschritten wurden? Wo eine Krebserkrankung ein Zeichen Gottes war? Das ist jedoch Anmaßung und Sünde. Zudem sollten wir uns auch bewusst machen, dass wir evtl. auf eine Krebserkrankung bei unserem besten Freund mit einer Aufforderung zum Ausharren, bei einem ungeliebten Menschen jedoch mit einer Aufforderung, seine Wege zu prüfen, reagieren. Gottes Wege sind nicht unsere Wege, es fehlen uns also Urteilsfähigkeit und Befugnis zu einem solchen Urteil. Lasst uns doch da “jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus” (2.Korinther 9:3-5) und Gespräche wie Gedankengänge dieser Art ablehnen – denn wer wäre bei dem Blindgeborenen zu diesem Ergebnis gekommen?

Geschwister können durch diese Systematik in sich selbst sehr verunsichert werden. So können wir einen platten Reifen als Hinweis sehen, dass wir den verwitweten Bruder Theo doch nicht besuchen sollen. Wenn wir dies jedoch überwinden (den Reifen wechseln), können wir wahrscheinlich erfahren, wie nötig unsere Anwesenheit bei Theo war und welchen Schaden das Befolgen unseres Geisteskonstrukts bewirkt hätte. Lasst uns das ernst nehmen, denn in diesem Fall hätte unser Eindruck beinahe eine konkrete Abweisung der Bibel (Jakobus 1:27) “überstimmt”.

Und unsere Träume?

Eine weitere Gefahr bietet das Hinwenden zu Traumdeutungen. Gott spricht ja durchaus in “Nachtgesichten” zu den Menschen – da steht aber nicht durch ein Nachtgesicht, als sollte jeder Traum zu uns Christen reden; dazu einige Beispiele:

“14 Doch in einer Weise redet Gott und in zweien, ohne dass man es beachtet. 15 Im Traum, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, im Schlummer auf dem Lager: 16 Dann öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die er ihnen gibt, 17 um den Menschen von [seinem] Tun abzuwenden und damit er Übermut vor dem Mann verberge, 18 dass er seine Seele zurückhalte von der Grube, und sein Leben vom Rennen ins Geschoss.” (Hiob 33:14-18)

“12 Und zu mir gelangte verstohlen ein Wort, und mein Ohr vernahm ein Geflüster davon. 13 In Gedanken, die Nachtgesichte hervorrufen, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, 14 kam Schauer über mich und Beben und durchschauerte alle meine Gebeine; 15 und ein Geist zog vor meinem Angesicht vorüber, das Haar meines Leibes starrte empor. 16 Da stand einer – ich erkannte sein Aussehen nicht -, eine Gestalt war vor meinen Augen, ein Säuseln und eine Stimme hörte ich: 17 Sollte ein Mensch gerechter sein als Gott, oder ein Mann reiner als der, der ihn gemacht hat?” (Hiob 4:12-17)

Wir erkennen den wichtigen Punkt, dass keiner der Träume der menschlichen Interpretation visueller Wahrnehmung unterworfen war, Gottes individueller Weg mit uns also nur durch unsere Vorstellungskraft erkannt werden könnte. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass Nachtgesichte Teil eine konkreten Dialogs mit Gott sein können:

“6 Sie durchzogen aber Phrygien und die galatische Landschaft, nachdem sie von dem Heiligen Geist daran gehindert worden waren, das Wort in Asien zu reden; 7 als sie aber gegen Mysien hin kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen, und der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht. 8 Als sie aber an Mysien vorübergezogen waren, gingen sie nach Troas hinab. 9 Und es erschien Paulus in der Nacht ein Gesicht: Ein gewisser mazedonischer Mann stand da und bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir sogleich nach Mazedonien abzureisen, da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.” (Apostelgeschichte 16:6-10)

Sprechen wir bestimmte Eindrücke – wie im letztgenannten Abschnitt – mit bewährten und vertrauenswürdigen Weggefährten durch, bevor wir voreilig Schlüsse ziehen. Beachten wir auch, dass es in diesem Hinweis um eine Ausgestaltung eines bestehenden Diensts ging, also Teil eines konkreten Auftrags Gottes war.

Resümee

Wir sind in diesen letzten Tagen wirklich gefordert, wachsam und nüchtern zu sein. Satan präsentiert uns vieles, was auf den ersten Blick attraktiver und wohlschmeckender als das Brot aus dem Himmel oder die innige Gemeinschaft mit Gott zu schmecken scheint. Die vielen Feste und Tänze des Alten Bundes bieten beispielsweise viel Raum für menschliche Entfaltung, bergen aber die Gefahr, das “Gott Wohlgefällige” des Neuen Bundes aus dem Blick zu verlieren. Es geht doch schließlich um ein Leben zu Gottes Verherrlichung, von daher sollte unser Fokus auf dem liegen, was Ihm am liebsten ist.

Die Tendenz der Sicht eines umständegesteuerten Lebens sollten wir ablehnen, da sie sich auch zu einer krankhaft fatalistischen Form manifestieren kann. Bist Du ein liebender Elternteil oder ein Freund bzw. eine Freundin einer Person? Wie wenig würdest Du Deine Kinder oder Freunde als Probanden in ein grausames und kryptisches EscapeRoom-Spiel schmeißen, während Du ihnen gleichzeitig jede Hilfe versprichst? Eben – wir sind geliebte Kinder Gottes und Er wird uns durch Seine Augen und Sein Reden leiten. Konzentrieren wir uns deshalb auf das tägliche Putzen der Augen, der Ohren und Herzenskammern, damit Er uns durch Sein Wort und Seinen Geist so zweifelsfrei und sicher leiten kann, wie Er es zusagt. Und sollte uns das himmlische Manna einmal fade erscheinen, dann sollten wir es uns wieder auf der Zunge zergehen lassen und den einmaligen Geschmack genießen lernen.

Oliver Attendorn

Verpasse keine Beiträge mehr!

Abonniere unseren kostenlosen Newsletter

Ähnliche Beiträge